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Gärgase in Brennerei und Weinkellerei

DIE UNTERSCHÄTZTE GEFAHR

Immer wieder kommt es durch Gärgas CO2 zu tragischen, mitunter tödlichen Unfällen in Weinkellereien, aber auch in  Mostereien und sogar Brennereien, obwohl hier die Mengen am auftretendem CO2 geringer sind. Harald Scheiblhofer, Abteilung Kellerwirtschaft an der Höheren Bundeslehranstalt und Bundesamt Klosterneuburg, und Herbert Stifter vom Unfallverhütungsdienst der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, Wien, räumen mit immer noch weit verbreitetem Unwissen auf, das in Zusammenhang mit Fehleinschätzung fatale Folgen haben kann.

Während der Gärung entsteht CO2. Dieses Gas ist unsichtbar und geruchlos, auch wenn viele Menschen der irrigen Meinung sind, dass sie es riechen können. Je Liter Traubenmost rechnet man mit etwa 50 Liter CO2 (bei zuckerärmeren Mosten entsprechend weniger). Zeitraum und Menge sind aber von zahlreichen Faktoren abhängig und schwer vorherzusagen. Wenn in einer Kellerei 100 000 Liter Traubenmost vergoren werden, entstehen etwa 5 Mio. Liter bzw. 5000 Kubikmeter CO2! 1000 Liter einer Obstart mit der halben Zuckermenge pro Liter bringen 25 000 Liter CO2, und damit in kleinerern Räumen noch immer gefährliche Konzentrationen.

GESETZLICHE GRENZWERTE

Für CO2 gibt es MAK-Werte (MAK = maximale Arbeitsplatzkonzentration), wobei sowohl der Tagesmittelwert wie auch der Kurzzeitwert zu beachten ist. Der Tagesmittelwert als Mittelwert über einen 8-Stunden-Arbeitstag darf maximal 0,5 % Vol. CO2 erreichen. Zusätzlich darf zu keinem Zeitpunkt der Kurzzeitwert von 1 % Vol. CO2 überschritten werden.

Beide Werte sind personenbezogen zu messen, da sich die betroffenen Personen i.d.R. im gesamten und unterschiedlich belasteten Betrieb bewegen. Die Konzentrationen an CO2 sollten aber immer so gering wie möglich gehalten werden, da sich diese MAK-Werte auf gesunde, erwachsene, normalgewichtige (männliche) Personen beziehen.

WELCHE CO2-WERTE SIND TYPISCH FÜR KELLEREIEN?

Diese Frage kann kaum befriedigend beantwortet werden. Die gute Nachricht zuerst: Ein Durchschnittswert von 0,5 % Vol. CO2 (MAK-Wert und Durchschnittswert sind nicht gleichzusetzen, da beim Durchschnittswert der Kurzzeitwert keine Rolle spielt) kann in den meisten Kellereien auch während der Gärsaison meist relativ problemlos eingehalten werden. Allerdings wird der maximale Kurzzeitwert von 1 % Vol. sehr häufig und teilweise massiv überschritten.

AB WANN WIRD ES NUN WIRKLICH GEFÄHRLICH?

Einige Richtwerte sollen die Gefahr veranschaulichen (angegeben ist jeweils der CO2-Anteil in der Atemluft):
- 0,5 bis 1 % Vol.: noch keine besonderen Beeinträchtigungen der Körperfunktionen bei kurzzeitiger Belastung zu erwarten. Schläfrigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten können aber bereits auftreten.
- 2 bis 3 % Vol.: zunehmende Reizung des Atemzentrums. Erhöhung der Atemfrequenz und des Pulses.
- 4 % Vol.: Dies ist etwa die Konzentration in der Ausatemluft des Menschen (Mund-zu-Mund-Beatmung).
- 4 bis 7 % Vol.: Verstärkung der vorher genannten Effekte. Zusätzlich: Durchblutungspropleme im Gehirn; Aufkommen von Schwindelgefühl, Brechreiz und Ohrensausen.
- 8 bis 10 % Vol.: Verstärkung der schon genannten Beschwerden bis hin zu Krämpfen und Bewusstlosigkeit; potentiell lebensgefährlich.
- über 10 % Vol.: sehr starke Atemnot, akute Lebensgefahr.
- 15 % Vol.: Bewusstlosigkeit in sehr kurzer Zeit.
- 25 bis 30 % Vol.: sofort narkotisch und in kürzester Zeit tödlich.
Der letzte Punkt wird oft unterschätzt oder ist gar nicht bekannt. Hohe Konzentrationen können sofort (!) narkotisch wirken. Das bedeutet, dass ein einziger Atemzug ausreicht, um in Ohnmacht zu fallen.
Für kranke bzw. “gesundheitlich angeschlagene” Personen, können auch Konzentrationen unter 10 % Vol. schon in kurzer Zeit tödliche Folgen haben.
Das Problem ist übrigens in den meisten Fällen nicht der fehlende Sauerstoff, sondern die Übermenge an CO2. Bei einer längeren Einwirkung von sehr hohen CO2-Gehalten kommt es auch zur Übersäuerung des Blutes. Dies führt leider öfters dazu, dass verunglückte Personen noch Tage später an den Folgen sterben.
Gefährlich sind nicht nur4 die tödlichen CO2-Konzentrationen. Schon 1 % Vol. CO2 kann zu einer Beeinträchtigung und einem erhöhtem Unfallrisiko (z.B. Sturz von der Leiter) führen.

UNWISSENHEIT UND FALSCHE EINSCHÄTZUNG DER CO2 GEFAHR

Ein Hauptproblem ist die Unterschätzung der Gefahr. Die häufige Meinung, dass CO2 gerochen wird, stimmt nicht! Riechen kann man höchsten Gäraromen, die oft, aber nicht immer (!) – mit erhöhten CO2-Konzentrationen auftreten können. Der Gärgeruch erlaubt in keinem Fall einen Rückschluss auf den möglichen Gehalt von CO2.
CO2 kann sich in einem Raum auch verstärkt oben (!) an der Decke ansammeln!. Die weitverbreitete Meinung, dass sich CO2 durch seine Dichte (schwerer als Luft) immer in Bodennähe absetzt und “CO2-Seen” bildet, ist nur teilweise richtig. Nur in “klassischen Kellerröhren” mit gleichmäßig kühlen Wänden und ohne Luftbewegung entsteht dieser “CO2-See”. In modernen Kellereien wird die Luft in der Regtel aber meist ausreichend bewegt, so dass diese Schichtung nicht zu Stande kommt. An kühlen Tankwänden fließt CO2 nach unten. An warmen Tankwänden gibt es eine Thermik nach oben, welche das (warme) CO2 nach oben reißt und zu mehr CO2 oben im Raum als unten führt. Also “CO2-Wolken” anstelle von “CO2-Seen”.

KERZENPROBE UND PARTIKELFILTERMASKEN SIND UNBRAUCHBAR

Dass die Kerzenprobe als Bestimmungsmethode für den CO2-Gehalt nicht geeignet ist, ist vielen, aber leider noch nicht allen Beteiligten bekannt. Eine Kerze brennt noch bei CO2-Konzentrationen, die für den Menschen bereits tödlich sind.
Außerdem sind nach wie vor viele Personen der Meinung, dass man sich vor CO2 durch Atemschutzfilter (Partikelfiltermasken, Gasfilter usw.) schützen kann. Auch das ist ein fataler Irrtum, lediglich mit umluftunabhängigem Atemschutz ist ein Schutz möglich.

NEBENRÄUME KÖNNEN ZU GEFÄHRLICHEN FALLEN WERDEN

Vermeintlich “sichere” Nebenräume (z.B. Laborräume, Umkleideräume, aber auch Schächte, Aufzüge, Brunnen) können auch gefährliche CO2-Konzentrationen annehmen, denn das Gas kann in Bereiche eindringen, in denen man es nicht vermuten würde, selbst durch Mauern hindurch, über Kanäle, durch Öffnungen entlang von Leitungen….

NATÜRLICHE LÜFTUNG WIRD FAST IMMER ÜBERSCHÄTZT

Eine Lüftung über geöffnete Fenster und Türen wird fast immer überschätzt. Auch ist diese natürliche Lüftung oft sehr start von den Wetterverhältnissen (vor allem Wind, Luftdruck, Temperatur) abhängig.

WELCHE TECHNISCH SINNVOLLEN LÖSUNGEN GIBT ES?

Bei Gärmengen unter 5000 Liter genügen meist einfache Absaugeinrichtungen oder unter Umständen auch die natürliche Belüftung. Aber Vorsicht: selbst in einen 100 Liter-Behälter sollte man niemals den Kopf während einer Gärung hineinstecken, da auch dies bereits tödlich enden kann.
Gleich vorweg: Der Einbau einer leistungsstarken Lüftung bringt nicht immer das erwünschte Ergebnis. Wenn große CO2-Mengen auf kleinem Raum anfallen, muss eine Raumlüftung schon gewaltig blasen. Notwendige Luftwechselzahlen von 10, also der Austausch der kompletten Raumluft 10 Mal pro Stunde, sind dann keine Seltenheit.
Im Ideal- bzw. Extremfall hat man damit zwar das Problem mit dem CO2 gelöst, aber viele neue Probleme am Hals:
- Die Lüftung ist unangenehm laut.- Es zieht so stark, dass sich die Mitarbeiter erkälten.
- Es zieht so stark, dass sich die “Hefen erkälten”. Soll bedeuten, dass es durch die Lüftung zu einem Abkühlen der Raumluft und auch der Tanks kommen kann, wodurch die Gärung beeinträchtigt wird.
- Das Anwärmer der angesaugten Luft verschlingt Unsummen an Energiekosten.
- Und zu “guter” Letzt kann das Geräusch der Lüftung die Nachbarn (vor allem in der Nacht) stören.
Was also kann man tun? Das kommt auf die Art der Gärung an: (langsame) Gärungen von Säften sind gut zu beherrschen, (schnellere) Maischegärungen viel schwieriger. CO2 entsteht in beiden Fällen. Ort, Umfang und Menge pro Zeit sind aber oft sehr unterschiedlich.

Direkte Ableitung bei der Saftgärung
Die beste und meist auch billigste Art das Problem zu lösen, ist das direkte Ableiten des CO2 vom Tank weg. Man fängt das CO2 direkt am Austritt aus dem Tank ab und leitet es ins Freie. Die kann mittels freiem Ausfließen oder auch unterstützt durch Ventilatoren stattfinden. Eine Installation einer solchen “CO2-Sammelleitung” ist günstig zu realisieren. Wenn dies bereits bei der Kellerplanung berücksichtigt wird, sind die Kosten fast vernachlässigbar (vor allem im Vergleich zu einer Raumlüftung). Auch das Nachrüsten ist meist kostengünstig durchführbar. Ein paar Meter Polokalrohre (Abflussrohre) und Verbindungsschläuche zu den Tanks können schon ausreichen.
Wichtig ist hier, dass das CO2 relativ gleichmäßig aus dem Tank austritt und der Tank während der Gärung bis auf die (relativ kleine) Öffnung, aus der das CO2 austritt, geschlossen bleiben kann. Dies ist bei Gärungen ohne feste Maischeanteile praktisch immer der Fall.

Maischegärung
Ganz abgesehen von offenen Gärsystemen wie dem offenen Gärbottich gibt es hier bei fast allen Systemen große und meist auch unlösbare Probleme mit der direkten Ableitung. Die CO2-Mengen fallen meist in kürzerer Zeit an und auch sehr ungleichmäßig. Falls also ein Ausströmen von großen Mengen an CO2 in den umliegenden Raum nicht verhindert werden kann, können Arbeitsanweisungen und Unterweisungen die Mitarbeiter vor temporär (z.B. während des Bewegens der Maische, Plus Air, Rundpumpen…) in gefährlichen Bereichen schützen, in dem das Betreten lokal und temporär untersagt wird.
Oft ist die Belüftung nur während der “normalen” Arbeitszeit gegeben. In der Nacht werden Tore geschlossen und Lüftungsanlagen zurück- oder abgeschaltet. In der Früh wird dann vor Beginn der Arbeiten mehr oder weniger ausreichend gelüftet. Vergessen werden häufig Situationen, die ein sofortiges Betreten des Gärbereiches wie z.B. bei Störungen in der Nacht nötig machen.

CO2-WARNANLAGEN

Prinzipiell hat jeder Arbeitgeber über geeignete Maßnahmen dafür zu sorgen, dass Mitarbeiter keinen unzulässig hohen CO2-Konzentrationen ausgesetzt sind. Eine sehr gute Möglichkeit, dies auch zu gewährleisten, ist der Einsatz von CO2-Warnanlagen. Diese gibt es als stationäre Warnanlagen und mobile Warngeräte.
Stationäre Anlagen bestehen i.d.R. aus einer zentralen Steuer- und Schalteinheit, wo die Daten der einzelnen CO2-Mess-Sensoren zusammen laufen. Solche Anlagen können nur einen oder auch sehr viele (20 und mehr) Sensoren haben.

Vergessen Sie alles, was Sie über CO2 zu wissen glauben oder glauben zu wissen (Harald Scheiblhofer)

Entscheidend bei diesen Anlagen ist neben Anzahl und Verteilung auch die konkretere Positionierung der Sensoren. In der Regel werden die Sensoren gut versteckt hinter den Tanks angebracht. Diese Position ist in den meisten Fällen aber aus mehreren Gründen nicht zielführend. Der MAK-Wert beschreibt die maximale Arbeitsplatzkonzentration. Der letzte Winkel hinter einem Tank ist sicher nicht der typische Arbeitsplatz in einem Keller. Außerdem führt ein Einsetzen der Gärung beim Tank, der unmittelbar neben dem Sensor ist, zu einer permanent hohen CO2-Konzentration an diesem Sensor. Solange dieser Tank gärt, meldet der Sensor eine (zu) hohe CO2-Konzentration, was häufig zum Abschalten oder Ihnorieren der Warneinrichtung führt.
Stationäre Anlagen geben meist einen guten Überblick über die CO2-Situation im Keller. Sie sind im Idealfall permanent eingeschaltet und müssen nicht aufgeladen und vom Arbeiter mitgetragen werden. Sie gebe aber oft nur unzureichend die Situation “an der Person” wieder, also die tatsächliche Belastung des Kellerarbeiters.
Mobile Geräte werden am Mann/an der Frau getragen und zeigen somit am besten die tatsächliche Belastung an. Idealerweise sollte das Messgerät möglichst in der Nähe von Mund oder Nase positioniert sein, ohne dabei unmittelbar der Ausatemluft ausgesetzt zu sein. Da dies meist nur schwer umsetzbar bzw. lästig ist, werden die Geräte häufig am Gürtel getragen, was nicht immer die reale Belastung wiederspiegelt. Häufig liegen sie aber auch in der Schublade und messen die dort vorherrschenden irrelevanten Luftbedingungen.

BEFAHREN VON BEHÄLTERN

Mobile Geräte haben noch einen großen Vorteil. Sie können CO2 an exponierten Stellen messen bzw. potenziell gefährliche Situationen überwachen, die nicht zum permanenten Arbeitsablauf gehören. Beispiel das Einsteigen in einen Gärtank. Beim Einstieg in Gärbehälter ist immer mit hohen CO2-Konzentrationen zu rechnen. Solche Arbeiten dürfen daher generell niemals allein durchgeführt werden und müssen immer von mindestens einer oder besser zwei Personen außerhalb des Tanks überwacht werden.

WARTUNG UND KOSTEN

Stationäre wie mobile Warneinrichtungen müssen regelmäßig (mindestens 1 x jährlich, am besten vor Erntebeginn) gewartet und auf ihre korrekte Funktionsweise kontrolliert werden. Mobile Geräte gibt es schon um einige hundert Euro. Mobile Geräte, die handlich und robust genug für den Keller sind und auch Daten speichern, kosten um die 1000 Euro. Stationäre Anlagen können richtig viel Geld kosten. Hier gibt es nach oben hin kaum Grenzen. Eine deutliche Reduktion der Kosten ist manchmal möglich, wenn eine bestehende Anlage zur Gärsteuerung/Gärkühlung vorhanden ist und die damit vorhandene Infrastruktur (Buskabel, Verteilerdosen, Computer…) auch für die CO2-Überwachung genutzt werden kann. Die Mindesthaltbarkeit von CO2-Sensoren wird meist mit 5 Jahren angegeben.

Auszug aus dem Fachmagazin www.kleinbrennerei.de  01/2015
DI Harald Scheiblhofer, HBLA u. BA Klosterneuburg.
E-Mail: harald.scheiblhofer@weinobst.at
Ing. Herbert Stifter, Unfallverhütungsdienst
AUVA-Landesstelle Wien
E-Mail: herbert.stifter@auva.at

Datum: Mittwoch, 4. März 2015
Themengebiet: Brennerei-Kellerei-Mosterei, Rekru Trackback: Trackback-URL
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